zur Startseite

Die trockene Trunckenheit

Teil 1: Kleine Kulturgeschichte des Tabakrauchens

  • FOTO-Galerie:
    Raucherabbildung
  • Tabakpflanze
  • Verschwender
  • Tabacktrincker
  • Vanitas
  • Chronos
  • Streit

Direkt zu Teil 2 springen: Rauchen im archäologischen Kontext

Mit der Entdeckung der karibischen Inseln durch Christoph Kolumbus am Ende des Jahres 1492 beginnt die Geschichte des Tabaks in Europa.

botanische Darstellung
Botanische Darstellung des Tabaks

In der ersten Hälfte des 16. Jhs. wurde zwar schon häufig Tabak nach Spanien und Portugal gebracht, doch das Rauchen der Blätter stieß zunächst auf wenig Interesse.

Trotz der wiederholten botanischen Beschreibung des Tabaks und der Betonung seiner Heilkräfte, breitete sich der Tabak in Europa erst weiter aus, nachdem der französische Gesandte am portugiesischen Hof, Jean Nicot, diesen in größerem Umfang als Medizin einsetzte.

Der Kontakt englischer Kolonisatoren mit nordamerikanischen Ureinwohnern förderte schließlich den Durchbruch des Tabaks in Europa. Als Genussmittel verbreitete er sich rasch über die Kontinente. Die Seeleute auf den großen Handelsrouten halfen, die Gewohnheit des Tabakrauchens überall bekannt zu machen.

Verbreitung des Tabaks im 16. und 17. Jh.

Der Begriff „Rauchen” setzte sich erst im Laufe des 17. Jhs. durch, bis dahin sprach man in Analogie zum Trinken von Rauch- oder Tabaktrinken. Die Analogie zum Trinken stellt den Versuch dar, ein Novum zu charakterisieren. Aber auch ein realer Grund in der pharmakologischen Wirkungsweise des Tabaks legt diese Parallele nahe: Nikotin lässt sich in seiner Wirkung eher mit Alkohol als mit Koffein vergleichen. Nikotin stimuliert nicht, sondern lähmt das Nervensystem. Für Neulinge hat das Rauchen eine ähnlich unlustvolle Wirkung wie der Alkohol.

Englische Soldaten, die von Königin Elisabeth I. zur Unterstützung der niederländischen Protestanten entsandt wurden, waren in erster Linie die Übermittler des neuen Genussmittels. Gegen Ende des 16. Jhs. gelangte das Tabakrauchen auch nach Deutschland. Besonders der 30jährige Krieg (1618–1648) überzog Deutschland mit der neuen Gewohnheit. Durch die Übersendung englischer Truppen und die Anwesenheit von Soldaten unterschiedlichster Nationalität breitete sie sich rasch unter den Landsknechten aus.

Jacob Christoph von Grimmelshausen stellte sich 1667 in seinem „Satyrischen Pilgram” die Frage, „woher das Tabaktruncken kompt”:

Teils saufen sie den Tabak, andere fressen ihn, und von etlichen wird er geschnupft, also dass mich wundert, warum ich keinen gefunden, der ihn auch in die Ohren steckt.

Gegner und Befürworter

Seit der Tabak Europa erreichte, war sein Konsum umstritten – die Stimmen pro und contra waren zahlreich:

Etliche berühmte Ärzte, unter ihnen Johannes Vittich über den Tabak als Heilmittel:
Es ist kein Zweifel/ dass der Tabak alle Unreinigkeiten säubern/ und grobe zeehe Feuchtigkeiten zerteilen kann/ wie denn solches aus täglicher Erfahrung abzunemen ist/ dieweil es den brästen/ noli me tangere item/ allerhand Wunden/ offene und umb sich fressende Schäden/ räude und Krätze/ sie seien so böß und giftig/ als sie immer wollen/ desgleichen die Kröpffe/ zerschlagene Glieder/ Apostemröte deß Angesichts und viel anderes… heillt/ die wunden an armen/ schenkeln/ und sonst anderen gliedern der leiber/ sie seien so alt als sie wollten/ heilen sie/ wenn man sie mit weißem Wein oder Menschenharn außweschet/ danach mit einem reinen Schwamm oder läplein austrucknet/ ein oder 2 frische gestoßene bletter sampt dem Safft darüber schlegt/ weiße tüchlein darauff leget/ und solcher gestalt zur vollkommenen Heilung fortfehrt.
, schilderten im 17. Jh. die fabelhafte Wirkung des Tabaks, die sich bei allen Krankheiten ergebe. Diese Ansicht stieß zunächst allenthalben auf Zustimmung, doch allmählich setzte sich die Erkenntnis durch, dass es mit der medizinischen Wirkung des Tabaks nicht so weit her ist. Bereits 1627 sah der kurpfälzische Gesandte in Haag, Johann Joachim von Rusdorff über Nicotiana:
Ich kann nicht umhin, mit einigen Worten jene neue, erstaunliche und vor wenigen Jahren aus Amerika nach unserem Europa eingeführte Mode zu tadeln, welche man eine Sauferei des Nebels nennen kann, die alle alte und neue Trinkleidenschaft übertrifft. Wüste Menschen pflegen nämlich den Rauch von einer Pflanze, die sie Nicotiana oder Tabak nennen, mit unglaublicher Begierde und unauslöschlichem Eifer zu trinken und einzuschlürfen. (in: Metamorphosis Europae)
, im Rauchen eine wüste Sucht.

Johann Moscherosch über das Tabaktrinken:
Als ich etliche Menschen sah Tabak trinken, sprach der Herr zu mir Unwürdigen: Mensch! Siehest du den Greuel der Verwüstung, welcher sich in der Menschen Herz verborgen gesetzet und sich als Gott anbeten lässt, durch das vielfältige verdammte Tabaktrinken und Tabakschnupfen, daran sich bald alle Menschen durch Betrug und List der Teufel gewöhnt haben und diesen stinkenden Tabakgott ohne Unterschied anbeten und verehren. Merkt es doch, liebwerte Menschen, wie ihr als Tabakbrüder und Tabakschwestern alle, ja alle vom Teufel betrogen seid.
 empfand 1650 das Rauchen gar als ein Teufelswerk. Trotz aller verdammenden Stimmen behielt der Tabak seine Befürworter. So pries Noten, J. S. Bach: Die Tabakspfeife

Johann Sebastian Bach: Die Tabakspfeife

Sooft ich meine Tabakspfeife, mit gutem Knaster angefüllt,
zu Lust und Zeitvertreib ergreife, so gibt sie mir ein Trauerbild
und füget diese Lehre bei, dass ich derselben ähnlich sei.

Die Pfeife stammt von Ton und Erde, auch bin ich gleichfalls draus gemacht,
auch ich muss einst zur Erde werden, sie fällt und bricht, eh ichs gedacht,
mir oftmals in der Hand entzwei, mein Schicksal ist auch einerlei.

Wenn du die Pfeife angezündet, so sieht man, wie im Augenblick
der Rauch in freier Luft verschwindet, nichts als die Asche bleibt zurück,
so wird des Menschen Ruhm verzehrt und dessen Leib in Staub verkehrt.

Ich kann bei so gestalten Sachen mir bei dem Tabak jederzeit
erbauliche Gedanken machen. Drum schmauch ich voll Zufriedenheit
zu Land, zu Wasser und zu Haus mein Pfeifchen stets in Andacht aus.
 seine Tabakspfeife in einem Lied. Stetig stieg der Tabakkonsum in allen Bevölkerungsschichten an.

Rauchverbote

PfeifenraucherNun mehrten sich die Rauchverbote, die vor einer Gefährdung der Gesundheit und der Moral warnten und die Feuergefahr durch das Rauchen beschworen.

Auf eine Anfrage Kaiser Friedrich III. an die Stadt Köln betreffend den „Trinktabak” erfolgte, dass der Kurfürst von Köln am 16. August 1649 einen Erlass herausgab, den Kauf, Verkauf und Konsum von Tabak, der Schwachheit der Bevölkerung und Feuersbrünste verursache, „überall mit Ernst bei Vermeidung Unserer Ungnade und Strafe, neben Konfiskation selbigen Tabacks und deren Tabackspfeifen zu interdicieren.”

Da das Tabakrauchen auch bei den geistlichen Würdenträgern überhand nahm, sah sich 1723 das Fürstliche Consistorium zu Wolfenbüttel gezwungen, an alle Superintendenten des Gebietes Braunschweig und Lüneburg einen entsprechenden Aus dem Edikt des Fürstlichen Consistoriums zu Wolfenbüttel:
Es ist dem Fürstlichen Consistorium die Nachricht zugekommen, was gestalt, da bei einigen Predigern sowohl auf dem Lande als in den Städten der Mißbrauch des Tabacks Schmauchens so sehr überhand genommen, daß sie nicht nur in ihren Häusern der meisten Zeit von früh Morgens biß an den Abend mit Tabackschmauchen zubringen, sondern sich gar in öffentlichen Gelagen und Gesellschaften, als bei Hochzeiten und Kindtaufen, imgleichen in den Städten, in publiken Caffe und Wirthshäusern bei Messen und Jahrmärkten unter allerhand arten Leuten sich gar öfters mit der Taback-Pfeife finden und antreffen lassen.
 zu schicken.

Doch weder die theoretische und literarische Auseinandersetzung noch Strafandrohungen in städtischen und landesherrlichen Verordnungen bewirkten eine dauerhafte Verringerung des Tabakkonsums. Bereits gegen Ende des 17. Jhs. wurden viele der erst 30 oder 40 Jahre zuvor ausgesprochenen Rauchverbote nicht mehr erneuert. Das Rauchen wurde endgültig zum Allgemeingut aller Bevölkerungsschichten. Das landesherrliche Interesse, an dem steigenden Tabakverbrauch zu verdienen, tröstete oftmals über diese Niederlage hinweg.

weiter zu Teil 2: Rauchen im archäologischen Kontext

zurück zu Online-Ausstellungen