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Objektgruppe Glas

Schenkgefäße

Neben Schalen zählen ebenso Schenkgefäße in Form von Kännchen oder Krügen zum gehobenen Gläserrepertoire. Ihr Verwendungszweck ist nicht immer eindeutig geklärt. So können sie zum Ausschenken von Spirituosen gedacht gewesen sein oder als Behälter für Öle bzw. Essige. Die hier vorgestellten Stücke gleichen sich in ihrer äußeren Form mit einem bauchigen Unterteil, ausgezogenem Hals und angesetztem Henkel, unterscheiden sich jedoch in Größe und Glasfarbe. So kommen grüne Varianten, ein fast farbloses Gefäß sowie blaue und rote (s.u.) Exemplare vor.

Rippenkännchen, Fragment

FO: Lüneburg, Auf dem Wüstenort 8 (Kloake)
blaues Glas, korrodiert, geklebt,
H max. 6,2 cm; Ø Lippe 3,0 cm; Gd. 1,6 mm
Deutschland, 1. H. 16. Jh.

Rippenkännchen
Schulteransatz und Hals mit optisch geblasenem senkrechtem Rippenmuster. Fadenauflage am Übergang von der Schulter zum Hals. Lippe am engen Hals geweitet und verdickt. Bandhenkel mit einem großen Glasposten am Hals angesetzt und im ausschwingenden Bogen auf die Schulter geführt, dann Daumenruhe und unteres Ende herausgekniffen. Dünne Fadenauflage unterhalb der Lippe über oberen Henkelansatz gelegt.

Blaue Kännchen mit optisch geblasenem Rippen-oder Kreuzrippenmuster sind seit der Mitte des 15. Jahrhunderts z. B. aus Glashüttenbefunden im Taunus belegt. Wie dieses Lüneburger Stück gibt es sie als dünnwandige und eher zarte Ausführung, allerdings auch als robustere und großvolumigere Gefäße, die im weiteren Verlauf des 16. und im 17. Jahrhundert häufiger werden (Vgl. die folgende Kanne). Entsprechend der wenigen besser erhalten blauen Kännchen ist für unser Exemplar ebenfalls eine bauchige Wandung anzunehmen, an der ein mehrfach gewickelter Fuß dem Gefäß die nötige Standfestigkeit gab, vergleichbar dem grünen Kännchen von der Großen Bäckerstraße 27.

Kanne, Fragment

FO: Lüneburg, Große Bäckerstraße 6/7 (Kloake 2)
blaues Glas,
H max. 9,2 cm; Ø Lippe 3,5 cm; Gd. 1,4 mm
Deutschland, 16. Jh.

Kanne
Glatter gerader, sich nach oben verjüngender Hals. 2 gekerbte Fadenauflagen. Auf diesen annähernd runder Henkel oben angesetzt und im ausschwingenden Bogen nach unten geführt, dann Daumenruhe und unteres Ende herausgekniffen. Geweitete, verdickte Lippe.

Die Gesamtform lässt sich nicht erschließen, weil nur die Halspartie erhalten ist. Anzunehmen ist aber ein kugeliger Gefäßkörper auf einem gewickelten oder glatten Fuß.

Kännchen, Fragment

FO: Lüneburg, Große Bäckerstraße 6/7 (Kloake 8)
rotopakes schlieriges Glas, geklebt,
H max. 9,0 cm; Ø Lippe 3,3 cm; Gd. 1,2 mm
Deutschland, 16. Jh.

Kännchen
Schulteransatz und Hals mit optisch geblasenem gestrecktem Punktmuster. Am Übergang von der Schulter zum Hals und unterhalb der Lippe je eine plastische Fadenauflage. Auf diese relativ zierlicher Bandhenkel oben angesetzt und im ausschwingenden Bogen nach unten geführt, dann Daumen-ruhe und unteres Ende herausgekniffen. Gerade, unverdickte Lippe.

Von dem Kännchen ist leider nur noch ein Teil von Schulter und Hals erhalten. Dem Profil nach zu urteilen handelte es sich bei diesem Stück um ein recht feines und eher schlankes Kännchen, im Gegensatz zu den zwei deutlich größeren blauen Kannen aus Lüneburg (Vgl. die Kannen oben). Eine exakte Parallele besitzt unser Stück in Middelburg, Niederlande, auch dort ist nur die Halspartie mit dem gleichen Muster erhalten. Opak rotes Glas, in der Regel durchsetzt mit orangefarbenen, aber auch dunkelbraunen oder schwarzen Schlieren, ist über lange Zeit in verschiedenen Glashüttenregionen Europas hergestellt worden. Die sehr charakteristische Glasmasse fand für viele Glasformen Verwendung, so dass die Farbe allein weder zur Datierung noch zur Frage der Provenienz der Stücke herangezogen werden kann. Gläser aus opakrotem Glas sind bereits für das 11./12. Jahrhundert von den Glashütten in Korinth bekannt. Rote Krüge und Flaschen des 13./14. Jahrhunderts fanden sich weiterhin in englischen Fundkomplexen und innerhalb eines Fundensembles aus dem Kanonissenstift in Neuss, das in die Zeit 13./ Anfang 14. Jahrhundert datiert wird. Für die jüngere Zeit sind in archäologischen Fundkomplexen und aus Museumsbeständen des 15. bis 17. Jahrhunderts noch etwa 25 opakrote Glasgefäße nachgewiesen. Opakrote und durchscheinend kräftig blaue Glasgefäße kamen etwa zur gleichen Zeit, in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, „in Mode”. Das belegt u.a. ein im Jahre 2001 ergrabener Glashütten-Standort im Taunus, in dem nicht nur rote und blaue Glasgefäße, sondern ebenso Glastafeln in diesen Farben hergestellt wurden. Der gleichzeitige Gebrauch roter und blauer Glasgefäße innerhalb desselben Haushalts ist dagegen bislang nur für das niederländische Zwolle belegt.

Autor: Peter Steppuhn; in: Glaskultur in Niedersachsen, 2003, 13, 146 u. 148 f. (gekürzt)