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Objektgruppe Keramik

Malhornware

Blaues Malhorn, weißer Grund

Keramik des 18. Jahrhunderts

Die in Jahrzehnten zusammen getragene Sammlung mittelalterlicher und neuzeitlicher Keramik der Lüneburger Stadtarchäologie umfasst viele Hundert Gefäßreste. Wissenschaftlich nutzbar sind diese aber nur, wenn sie - nach Fundorten magaziniert und in diversen Kartons verteilt - auch auffindbar sind. Daher wurde der Fundbestand seit 1997 in eine Datenbank aufgenommen, die einen Zugang zum Material nach den unterschiedlichsten Fragestellungen zulässt. In diesen Rahmen fiel eine neuzeitliche Keramikware. Es handelt sich um insgesamt 19 weiße, mit einem Malhorn blau bemalte Gefäße, die sich durch ein einheitliches Dekor auszeichnen. Unter ihnen finden sich neben Tellern und Schalen lediglich drei hohe Gefäßformen, nämlich Töpfe oder Grapen.

Malhornware, blau-weiß, Teller mit Blume
Auf dem Wüstenort 8: Teller mit steil aufgerichteter, konkaver Fahne, außen verdickt abgestrichenem Keulenrand, leicht aufgewölbtem Boden, Dm. 22 cm. Malhorndekor, schwarzblau mit hellblauem Randschleier: im Spiegel zweiblütige Pflanze, rundliche Blüten mit einer Vielzahl strichförmiger Blütenblätter, Blütenmitte zur Hälfte quergestreift mit gegenüberliegendem Punkt. Fahne mit gewellt umlaufender, vielblättriger Ranke.

Die technologischen Merkmale der Gefäße stimmen in einem großen Maße überein. Dazu zählen ein poröser, oxidierend gebrannter Scherben hellbeiger Färbung. Die Außenseite ist stets unglasiert, während die Innenseite eine creme- bis signalweiße, z.T. bis über den Rand gezogene Engobe und eine transparente, feinrissige Bleiglasur trägt. Bei einigen Gefäßen wirkt die Glasur sehr dick und weißlich. Ob bei ihnen eine Zinnglasur vorliegt, konnte bisher nicht geklärt werden. Das Dekor wurde mit einem Mahlhorn aufgebracht. Die Farben zeigen stahlblaue Töne, teils mit durchscheinendem, hellerem Randschleier. Daneben finden sich Gefäße mit einer helleren, pastellblauen Malerei. Die technologischen Merkmale der hohen Formen entsprechen in wesentlichen Details denen der Teller und Schüsseln. Zusätzlich trägt jedoch die Innenseite eine ockergelbe Bleiglasur.

Das Auftreten weißgrundiger Malhornwaren mit blauer Dekoration wird allgemein auf den Versuch zurückgeführt, Fayencen zu imitieren. Gibt deren Blütezeit im 17. und 18. Jahrhundert daher schon einen Hinweis auf den Zeitrahmen dieser Malhornwaren, so liegt mit dem Jahreszahlteller aus den 1740er oder eher 1780er Jahren auch eine Datierung aus einem Lüneburger Fundensemble vor. Weitere Hinweise zur Herkunft und Datierung der Ware liefern die bekannten Produktionsorte.

Malhornware, blau-weiß, Teller mit Hase
Auf dem Wüstenort 8: Teller mit abgesetzter, konkaver Fahne, außen verdickt abgestrichenem Keulenrand, leicht aufgewölbtem Boden, Dm. 21 cm. Malhorndekor, schwarzblau mit hellblauem Randschleier: im Spiegel laufender Hase auf baumbestandener Wiese, darunter Jahreszahl 178x oder 174x. Fahne mit gestrecktem Blattmotiv.

Nach den bisherigen Kenntnissen zum Produktionsspektrum Lüneburger Töpfereien wird diese Keramik als Importgut anzusprechen sein. So findet sich im Fundmaterial der bis 1788 produzierenden Töpferei „Auf der Altstadt 29” zwar ein geringer Anteil helltoniger Irdenware, aber keine Parallele hinsichtlich der Ausführung von Glasur und Bemalung. Jedoch bleibt zu bedenken, dass die jüngste Produktionsphase dieser Werkstatt kaum erfasst wurde und von weiteren drei archivalisch belegten Töpfereien aus der westlichen Lüneburger Altstadt keine Funde bekannt sind. Da entsprechende Gefäße im näheren Umkreis Lüneburgs nicht bekannt sind, wird diese Keramik Importware sein.

Die überregionale Verbreitung blaudekorierter Malhornwaren zeigt als nächste Produktionsgebiete südlich von Lüneburg die Regionen um Braunschweig-Magdeburg und den Oberweser-Werrabereich und nördlich die Probstei mit Preetz sowie Flensburg. In den anderen norddeutschen Töpfereizentren waren blauweiße Malhornwaren ausgesprochen unüblich. Im südniedersächsischen Raum um Hannoversch Münden und Oberode werden blau dekorierte Gefäße seit dem späten 17. Jahrhundert in größerem Umfang gefertigt. In Preetz wird das erste Auftreten blaubemalter Irdenware an den Beginn des 18. Jahrhunderts datiert. Dabei soll besonders für die Gruppe monochromer kobaltblauer Gefäße aufgrund ihres einheitlichen Motivschatzes ein enger zeitlicher Rahmen vom Ende der 1720er Jahre bis zur Mitte des Jahrhunderts anzunehmen sein.

Malhornware, blau-weiß, Schale mit Blüte
Am Berge 37: So genannte Branntwein- oder Wöchnerinnenschale mit abgesetztem Planboden, steiler Wandung und gerieftem Oberteil, schlichtem Rand, randständigem, waagerechten Henkel, Dm. 12,2 cm, Höhe 4,5 cm. Malhorndekor, dunkelblau mit hellblauem Randschleier: Spiegel von einer zentralen rundlichen Blüte ausgefüllt, Blüteninneres zur Hälfte gestreift, dezentraler Punkt, Vielzahl schmaler Blütenblätter. Auf der Innenseite findet sich eine Stapelspur.

Der Anschluß der Lüneburger Gefäße an einen dieser Produktionsräume gestaltet sich schwierig, da exakte Übereinstimmungen mit dem typischen Dekor der schraffierten Punktblüte fehlen. Andere Verzierungsmerkmale gehören zum allgemeinen Motivspektrum der Malhornware des 18. Jahrhunderts. So zeigen Gefäße aus dem unteren Werraraum um das Töpferzentrum Oberode in Technologie und Dekor Entsprechungen, andererseits findet sich auch unter den Töpfereifunden aus Preetz Vergleichbares. Der Preetzer Werkstatt werden dazu Teller mit Tierdarstellungen zugewiesen, darunter auch solche mit der - allerdings polychromen - Abbildung eines vor einer Baumgruppe laufenden Hasen mit Jahreszahlen 1783 und 1788. Die Provenienz unseres Materials wird sich wohl nur durch technologischen Vergleich sicher bestimmen lassen.

Die geringe Zahl der Gefäße wurde in sieben verschiedenen Lüneburger Kloaken gefunden. Dabei stammen von den 19 Gefäßen allein 14 aus zwei Kloaken an der Burmeisterstraße und Auf dem Wüstenort. Diese konzentrierte Verteilung lässt vielleicht an einen durchziehenden Händler denken, der seine Produkte nur einmal in Lüneburg verkaufte. Die Gefäße zeigen kräftige Abnutzungsspuren von schneidenden Messern und rührenden Löffeln, die Böden sind durch häufiges Schieben abgeschabt. Sie besaßen somit nicht nur einen fayenceähnlichen, dekorativen Charakter, sondern waren Gegenstände des täglichen Gebrauchs als Küchen- und Tafelgeschirr oder, wie die Henkelschale, als Branntweinschale auch zur Stärkung der Wöchnerinnen.

Das kennzeichnende Dekormerkmal dieser Gefäßgruppe ist ein Blütenmotiv mit halbseitiger Innenschraffur und solitärem Punkt. Es wird von verschiedenen floralen Motiven, meist beblätterte und gefiederte Ranken, begleitet. Hinzu treten geschlossene oder durchbrochene Wellenbänder. Die Ausführung und der Motivschatz dieses Dekors ist so typisch, dass nicht nur die meist stark fragmentierten Gefäßreste ohne Blütenmotiv in diese Gruppe gestellt werden dürfen, sondern auch der Jahreszahlteller mit zentralem Hasenmotiv. Einen Hinweis, dass diese Gruppe nicht völlig homogen ist, gibt ein Teller. Er trägt im Gegensatz zu den bisher beschriebenen Gefäßen eine grüne Bemalung, schließt sich jedoch mit seinem floralen Motiv den übrigen an.

Autor: Joachim Stark; in: Denkmalpflege in Lüneburg 2002, 92-95.

Literatur