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Objektgruppe Keramik

Steinzeug

Von Bauerntänzen und Bauernhochzeiten

Zwei Krüge mit bäuerlichen Motiven

FO: Am Berge 39 u. Bei der St. Johanniskirche 19
Steinzeug Raerener Art und Steinzeug Westerwälder Art
Ausgehendes 16. und frühes 17. Jahrhundert

Steinzeug Raerener Art
Mittelfrieskrug mit Bauerntanzdarstellung, Detail

Im 16. und 17. Jahrhundert war es Mode, Szenen aus dem gesellschaftlichen Leben auf Keramik abzubilden. Dazu gehören auch die Darstellungen des Bauerntanzes. Aus Lüneburg liegt ein Exemplar mit diesem Motiv vor. Es wurde 1998 aus einer Kloake „Am Berge 39” geborgen. Leider haben sich nur Fragmente erhalten. Der Krug wurde im ausgehenden 16. Jahrhundert im heute belgischen Raeren gefertigt. Er gehört zur Gruppe der sogenannten Mittelfrieskrüge. Auf dem Bauch ist in einer umlaufenden Szene ein Bauerntanz dargestellt. Man kann wild tanzende Menschen erkennen, die in bäuerliche Trachten gekleidet sind. Ursprünglich waren die Vorlagen für diese Motive, die verschiedene Monate repräsentieren, Kalenderblätter des 16. Jahrhunderts. Die erhaltenen Fragmente entsprechen den Monaten Februar, März, Mai, Juni und September nach einer Vorlage des Nürnberger Meisters Hans Sebald Beham.

Unter dem Fries kann man ein Spruchband lesen, das als Spottlied über die Landbevölkerung gediente. Zu erkennen ist die Zeile: „…BUREN : ALS : WEREN : SI : RASEN FRS VF SPRICHT BASTOR….KOR…”. Übersetzt lautet der vollständige Spruch: „ Gerhard, du musst tapfer blasen, so tanzen die Bauern als wären sie rasend; „Los, auf!” spricht Pastor, „ ich vertanze die Kappen, den Amikt [Schultertuch] und den Chormantel”.

Steinzeug Raerener Art
Mittelfrieskrug mit Bauerntanzdarstellung, Steinzeug Raerener Art

Damit machte man sich über die ungestümen Tänze der Landbevölkerung lustig, die als „Deutscher Drehtanz” oder „Allemande” bekannt wurden. Aus diesen in der damaligen Zeit unanständigen Tänzen hat sich unser heutiger Walzer entwickelt, der in seiner Frühzeit in Anlehnung an seine wilden Wurzeln auch „Wüster Weller” genannt wurde.

Steinzeug Westerwälder Art

In Ergänzung zu dem Raerener Krug konnten wir im Mai 2002 einen Westerwälder Humpen mit der Darstellung einer Bauernhochzeit finden. Auf Humpen sind diese Darstellungen außerordentlich selten. Dargestellt ist ein großer Tisch, an dem fünf Personen sitzen, die sich zuprosten. In großen Lettern steht auf dem Tisch „DIE BAUREN HOCHZEI”. Für das „T” war anscheinend kein Platz mehr, das „N” ist seitenverkehrt abgebildet. Der Tisch wird rechts und links von Personengruppen flankiert. Links sind vier Männer abgebildet, von denen zwei mit Speisen und Getränken herankommen, ein weiterer Mann hat sich vom Geschehen abgewandt und übergibt sich gerade. Auf der anderen Seite sind Tanzende und ein Musiker mit einer Gambe zu sehen. Die gesamte Szene ist mit einem Spruch überschrieben, der auf unserem Gefäß nur in Fragmenten erhalten ist, da Teile schon beim Brand abgesprungen sind. Der Kunsthandwerker, der die Vorlage für diesen Spruch lieferte, muss nur über begrenzte Schreibkenntnisse verfügt haben. Sämtliche „S” und „N” sind spiegelverkehrt aufgebracht. So weit lesbar lautet der Spruch: „..R SEINE K….ILT HALDEN REIN DER LAS DER BAUREN IR….CHZEIT ALLEIN OS SIE”.

Von Vergleichsstücken wissen wir, dass der vollständige Spruch übersetzt lautet: „Wer seinen Kopf will halten rein, der lass die Bauern ihre Hochzeit allein”.

Im linken Teil hat sich der Modelschneider mit seinem Monogramm „FI” verewigt. Aus Köln ist ein ähnlicher Krug mit der gleichen Darstellung bekannt, der ebenfalls mit „FI” gekennzeichnet ist. Dieser Humpen besitzt jedoch einen geringeren Durchmesser als das Lüneburger Gefäß, die Darstellung ist auf der linken Seite beschnitten, es fehlt der Mann ganz links. Eine weitere ähnliche Darstellung befindet sich auf einem Schreibzeug für Tintenfaß und Löschsand aus London. Hier sind die Kleidungselemente sehr viel feiner dargestellt, aber der sich übergebende Jüngling ist ebenso wie der Musiker vorhanden. Beide Exemplare können in die 1620 -30er Jahre datiert werden, dies gilt auch für das Lüneburger Gefäß.

Autor: Marc Kühlborn; in: Denkmalpflege in Lüneburg 2002, 82-84.

Literatur