zur Startseite

Verschiedene Materialien

Beischlagwange

FO: Neue Sülze 1
Kalkstein; erhaltene H. 115 cm
Ende 15. Jahrhundert

Im 14. Jahrhundert entstand vor vielen Haustüren der Stadt ein kleiner erhöhter Platz, der beidseitig mit hölzernern oder steinernen Bänken ausgestattet war. So konnte man neben der Freitreppe, die in das erhöhte Erdgeschoss führte, sitzend das Treiben auf den Straßen verfolgen.

der hölzerne Herrgott
Der hölzerne Herrgott. Aquarell Friedrich Soltau, um 1850 (Museum für das Fürstentum Lüneburg)

An der Stirnseite der Sitzbänke, zur Straße hin, errichtete man hohe, stelenartige Steinplatten. Diese waren in ihrem unteren Teil manchmal schlicht gehalten, häufig aber mit reicher Bildhauerarbeit verziert. Das Kopfstück dieser Beischlagwangen, das durch eine Einschnürung von Unterteil abgesetzt wurde, trug das Wappen oder die Hausmarke der Familie, die in dem Haus wohnte. Beischlagwangen sind aus Norddeutschland und Teilen des Ostseeraumes bekannt.

Im 18. und 19. Jahrhundert, als die Straßen verbreitert wurden und die Freitreppen den zunehmenden Verkehrsfluss störten, wurden die Beischlagwangen abgebrochen. Etliche Exemplare verbaute man sekundär. Nach und nach kamen sie bei Baumaßnahmen zum Vorschein. Nur wenige Exemplare sind heute im Lüneburger Stadtbild erhalten. Die Beischlagwangen vor dem Hause Am Sande 16 lassen ihre ursprüngliche Höhe nur noch erahnen.

Fast 20 Exemplare sind aus Lüneburg bekannt. Bei Bauarbeiten im Jahre 1996 kamen auf dem Gelände des ehemaligen Postgebäudes an der Neuen Sülze 1 zwei Fragmente einer Beischlagwange zu Tage. Sie waren im Fundament des 1891 errichteten kaiserlichen Postamtes verbaut, das bereits 1972 wegen Senkungsschäden wieder abgerissen werden mußte.

Beischlagwange
Beischlagwange der Margarete Stoketo

Auf dem Unterteil der Beischlagwange ist das Motiv der Wilden Männer, das wir auch auf der Tür des Alten Archivs im Rathaus kennen, zu sehen. Der Wilde Mann hält ein Wappen, das durch seine Rechtsneigung als Wappen einer Ehefrau zu deuten ist. Es ist das Wappen der Familie Stoketo.

Wappen der Familie Stoketo
Wappen der Familie Stoketo

Der runde Kopf der Beischlagwange besaß ursprünglich vier dreiviertelkreisförmige Knollen mit Rosetten. Auf dem unteren Rand des Kopfes steht in gotischen Minuskeln „regina glorie” (Königin des Ruhms). In dem Kreis des Kopfes war demnach ein Marienbildnis.

Stilistisch ist die Beischlagwange in das späte 15. Jahrhundert zu datieren. Mit großer Wahrscheinlichkeit weist das Wappen auf Margarete Stoketo, die 1486 Hartwig Stöterogge ehelichte. Häufig wurden die Eingänge der Patrizierhäuser anlässlich einer Verehelichung mit Beischlagwangen verziert, die die Wappen der Eheleute präsentierten.

Die Parzelle Neue Sülze 1 war spätestens seit dem frühen 16. Jahrhundert bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts im Besitz der Familie Stöterogge. Die Beischlagwange mit dem Wappen der Margarete Stoketo kann durchaus den Eingang eines Hauses auf diesem Grundstück geschmückt haben.

Autor: Edgar Ring; in: Denkmalpflege in Lüneburg 2002, 65-67. Download PDF  (380 KB)

Literatur