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Objektgruppe Metall

Pilgerzeichen

Bisher sind bei Ausgrabungen in der Hansestadt Lüneburg nur wenige Pilgerzeichen gefunden worden. Zwei Pilgerzeichen konnten auf dem Gelände des ehemaligen „Langen Hofes” geborgen werden.

Pilgerzeichen: Maria mit dem Kind
Abb. 1: Maria mit dem Kind und die Heiligen Drei Könige

Ein Pilgerzeichen ist eindeutig zu identifizieren (Abb. 1). Von links nach rechts sieht man auf der querrechteckigen Platte Maria mit dem Kind und die Heiligen Drei Könige mit Kronen, langen Gewändern und den Geschenken, die als Kugeln dargestellt sind. Gemeint ist die Anbetung, ausgeführt im so genannten griechischen Stil. Das Pilgerzeichen ist links oben abgeschnitten, außerdem fehlen die bekrönende Architektur und die vier Ösen, die der Befestigung des Pilgerzeichens etwa an einem Hut dienten. Die Rückseite weist ein Waffelmuster auf. Der rechteckige Flachguss besteht aus einer Blei-Zinn-Legierung.

Das Pilgerzeichen weist auf die Wallfahrt nach Köln zu den Gebeinen der Heiligen Drei Könige hin. Diese begann nach der Translation von Mailand im Jahre 1164. Der Flachguss ist eines der frühesten Kölner Pilgerzeichen. Ein in Rotterdam gefundenes Pilgerzeichen stellt eine enge Parallele zum Lüneburger Fund dar und datiert in die 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts.

Pilgerzeichen: Fragment eines Kopfes
Abb. 2: Fragment eines Kopfes

Das zweite Pilgerzeichen ist schwieriger zu identifizieren (Abb. 2). Bei dem Fragment handelt es sich offensichtlich um den Kopf einer weiblichen Figur, der in Höhe des Halses abgebrochen ist. Der Kopf dieses Flachgusses in Zinn-Blei-Legierung trägt eine Krone, die allerdings nach hinten gebogen ist. Auffällig sind die stark hervortretenden Augen, die profilierte Nase und „Locken”, die das Gesicht einrahmen. Vermutlich handelt es sich bei diesem Pilgerzeichen um Maria mit dem Kind. Parallelen sind aus Dordrecht zu benennen. Diese Zeichen werden zwischen 1250 und 1350 datiert und können vermutlich mit dem Wallfahrtsort Aachen in Verbindung stehen.

Auf der Fundstelle dieser beiden Pilgerzeichen befand sich der „Lange Hof”. Der Knappe und Burgmann Segeband von Wittorf vermachte 1352 in seinem Testament seinen Hof zur „immerwährenden Zuflucht für Fremde”. Zu diesen Fremden zählten nicht nur Reisende, sondern auch Pilger.

Pilgerzeichen: Figur des gepanzerten Ritters

Bei den im Jahre 1978 auf dem Gelände des ehemaligen Benediktinerklosters St. Michaelis durchgeführten Ausgrabungen konnte ein weiteres Pilgerzeichen geborgen werden (Abb. 3). Der Gitterguss aus einer Blei-Zinn-Legierung ist 55 mm hoch und bis zu 24 mm breit. Er stammt aus einer Abfallgrube, die vor dem Beginn des Neubaus des Michaelisklosters innerhalb der Stadt im Jahre 1376 angelegt wurde. In der Figur des gepanzerten Ritters mit Schwert und Stab wird der Heilige Potentinus aus Steinfeld in der Eifel gesehen. Im Pariser Louvre befindet sich ein gotischer Reliquienschrein (1220-1230), der aus der Abtei Steinfeld stammt und in dem die Reliquien des in Steinfeld verehrten Potentius verwahrt werden. Auf diesem Schrein befindet sich eine Darstellung des Heiligen, die sehr dem Pilgerzeichen entspricht.

Die in Lüneburg gefundenen Pilgerzeichen sind Belege für Wallfahrten nach Köln, Aachen und vermutlich in die Eifel.

Pilger mit Pilgerzeichen an den Hüten
Pilgerzeichen auf dem Heilgentaler Altar, St. Nicolaikirche, Lüneburg

Neben den archäologischen Funden gibt es auch bildliche Darstellungen von Pilgerzeichen in Lüneburg. Auf dem um 1444 von Hans Bornemann geschaffenen Altar des Klosters Heiligental, das seit 1382 im Schutze der Mauern der Stadt lag, sind in zwei Szenen vier Pilger dargestellt, die an ihrer Kopfbedeckung Pilgerzeichen tragen (Abb. 4). Die Darstellung ist nicht so detailliert, dass alle Zeichen identifiziert werden können. Eindeutig sind Zeichen aus Wilsnack, Maastricht (Servatius) und Rom (Vera Icon) zu erkennen.

Die auf dem Langen Hof und im Bereich des Michaelisklosters gefundenen Pilgerzeichen können nicht eindeutig als Beleg für Pilgerreisen Lüneburger Bürger interpretiert werden, da beide Einrichtungen auch Pilgerherbergen waren. Pilgerziele Lüneburger Bürger können aber auch Testamenten entnommen werden. Hier wird Geld verfügt für nicht näher genannte („enen Man, eynen mynschen”) oder namentlich bezeichnete Personen (Gebbeken, der Berndschen), die eine Pilgerfahrt unternehmen sollten. Von den zwischen 1323 bis 1500 erhaltenen und publizierten 297 Testamenten nennen 23 insgesamt 10 Wallfahrtsorte.

Folgende Wallfahrtsorte werden aufgeführt: Aachen, Einsiedeln im Kanton Schwyz (CH), Golmberg (Hoher Golm) bei Stülpe („Unser Leven Vrowen to dem Golme”), Heinloo („Unser Leven Vrowen tho der noet”), Provinz Nordholland (NL), Hülfensberg („sunte Hulpe”), Gemeinde Geismar, Königslutter am Elm, Rom, Thann („sunte Enwolde”) im Elsass (F), Trier und Wilsnack. Aachen ist der bevorzugteste Wallfahrtort, gefolgt vom nicht weit von Lüneburg entfernten Wilsnack. Zum Teil wird Geld für Fahrten zu verschiedenen Wallfahrtsorten hinterlassen. Weiterhin ist eine Fahrt zum Heiligen Grab in Jerusalem überliefert.

Die Zahl der in Lüneburg gefundenen Pilgerzeichen ist bisher gering. Betrachtet man diese aber zusammen mit der bildlichen Überlieferung und den schriftlichen Quellen, so wird auch hier deutlich, dass sich der Mensch als „homo viator” verstand, unterwegs zu seinem eigentlichen Ziel. In Sorge um das eigene Seelenheil gab man materielle Werte, um Menschen zu Wallfahrtsorten zu schicken, wie testamentarische Verfügungen belegen. Solche Pilgerreisen belegen die bei Ausgrabungen in Lüneburg geborgenen Pilgerzeichen. Und man sorgte für Pilger, indem man ihnen auf ihrem Weg eine Zuflucht bot.

Literatur