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Objektgruppe Glas

Schalen

Große Tazza, Fragment

FO: Lüneburg, Auf dem Wüstenort (Kloake 4)
farbloses Glas mit leichtem Graustich, stellenweise irisiert, geklebt und montiert,
H max. 7,1 cm; Ø Lippe 20,8 cm; Gd. 0,6 mm
Venedig oder Antwerpen, Mitte 16. Jh.

Große Tazza
Abgebrochener schmaler Stiel. Flachkugeliger gerippter Nodus mit Resten von Blattvergoldung. Kurzer Stiel, schmale Scheibe. Weit ausladende flache Schale mit optisch geblasenem Netzmuster.

Den Mittelpunkt einer festlich gedeckten Tafel bildeten im 16. Jahrhundert Tazzen aus farblosem Glas. Solche Kredenzschalen für Gebäck und Pralinen waren vermutlich nur den höheren sozialen Schichten vorbehalten. Das Lüneburger Exemplar, von dem die untere Partie leider nicht mehr erhalten ist, zählt im Vergleich mit anderen Tazzen zu den größten in dieser Art. Das optisch geblasene Netzmuster wurde durch das Einblasen in eine einteilige gemusterte Form erzielt und durch weiteres Aufblasen und Strecken in die endgültige Form gebracht. Tazzen mit Netzmuster kommen in verschiedenen Größen wie auch Fußvarianten vor. So gibt es niedrige Fußschalen, Schalen auf niedrigem Fuß oder solche auf schmalem Stiel, wie eben das Exemplar aus Lüneburg, das am ehesten an die Seite ähnlicher Stücke aus den Kunstsammlungen der Veste Coburg gestellt werden kann. Wie Fuß und Stiel der Lüneburger Tazza ausgesehen haben könnten, zeigt möglicherweise eine Kredenzschale aus Nijmegen, für die als Herstellungsort Antwerpen erwogen wird. Bei jener Tazza ruht das diamantgerissene Oberteil mit einem Durchmesser von 18,5 cm, wie bei dem Lüneburger Exemplar, auf kurzem Stiel und geripptem wie blattgoldbelegtem Nodus über einem Löwenbaluster und flacher Fußscheibe.

Die große Tazza könnte das Produkt einer venezianischen Glashütte sein. Die Unterscheidung zwischen südlich oder nördlich der Alpen hergestellten Glasobjekten ist allerdings oft schwierig, manchmal sogar unmöglich. Das ist darin begründet, dass Glasgefäße zum Teil genau nach venezianischen Vorlagen im Norden nachgearbeitet wurden. Auch chemische Analysen können nicht immer weiterhelfen, weil die ausgewanderten italienischen Glasmeister der damaligen Zeit die benötigten Glasrohstoffe für die Glasschmelze aus Italien bezogen oder mit importierten Glasmassen arbeiteten.

Autor: Peter Steppuhn; in: Glaskultur in Niedersachsen, 2003, 144. (gekürzt)