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Objektgruppe Glas

Fläschchen

Kleine Flaschen dienten zur Verwahrung von Flüssigkeiten, die nur in geringen Mengen benötigt wurden, also Arzneien, Öle, Essenzen, Destillate oder Parfüme. Die Hälse der kleinen Gefäße sind in der Regel waagerecht umgebogen oder durch einen zusätzlichen Glasring verbreitert worden, damit ein Korken, noch oftmals mit Papier überzogen, durch einen Bindfaden fixiert werden konnte (Vgl. 9 Kleine Flaschen mit Rückständen). Fläschchen finden sich sowohl im medizinisch-alchemistischen Bereich als auch in bürgerlichem Umfeld. Sie waren ein Massenartikel, der durch die vielen Abnehmer große Verbreitung erfuhr. Die durch den Verwendungszweck bedingte Form hat sich im Laufe der Jahrhunderte so gut wie nicht verändert. Das wird insbesondere an den kleinen bauchigen Flaschen deutlich, die vom 16. bis zum 19. Jahrhundert in gleicher Aufführung hergestellt wurden. Eine genaue Datierung ist daher durch die Fläschchen allein schwierig, sie muss sich aus der zeitlichen Einordnung archäologischer Beifunde ergeben. Ein kleines Parfum- oder Reliquienfläschchen (s.u.) kann demzufolge nur vage in das 13. bis 16. Jahrhundert gesetzt werden.

Parfum- oder Reliquienfläschchen

FO: Lüneburg, verschiedene Fundstellen
farbloses, gelbstichiges blasiges Glas,
H max. 5,9 cm; Ø 3,4 zu 1,6 cm; Gd. 1,1 mm
Deutschland (?), 13.-16. Jh.

Parfumfläschchen
Runder, verdickter Boden mit Abriss des Hefteisens. Ovaler Gefäßkörper, auf zwei gegenüberliegenden Seiten eingedrückt. Ansatz eines länglichen Halses.

Die zeitliche Einordnung des Plattfläschchens bereitet einige Schwierigkeit, weil solche Kleingefäße z.B. als Reliquienfläschchen über einen langen Zeitraum in Gebrauch waren. Sie setzen die Tradition der Salb- oder Parfumfläschchen (balsamaria) der Antike fort; die schlichte und schmucklose Form fand bereits in frühchristlicher Zeit als Reliquienbehälter Verwendung. Oft sind die Ampullen in Kastenreliquiaren oder in Reliquienbildern integriert, die sich seit dem Spätmittelalter und vor allem in der Barockzeit in zahlreichen Exemplaren erhalten haben. Auch für die Fläschchen in der spezifischen Ausführung wie das Lüneburger Exemplar sind die Bestimmungen von Zeitstellung und Provenienz so gut wie unmöglich. Exakte Parallelen liegen sowohl aus Köln vor, die vorsichtig in das 12. bis 14. Jahrhundert datiert wurden, wie auch aus weiteren sakralen Fundkomplexen in Deutschland, bei denen die zum Teil erhaltenen Weiheurkunden lediglich einen terminus ante quem zu geben vermögen. Neuzeitliche Reliquien- oder Parfumfläschchen in der vorliegenden Form sind zumeist aus kristallklarem Glas und dadurch von den älteren zu unterscheiden.

5 kleine bauchige Fläschchen

FO: Lüneburg, verschiedene Fundstellen
hellgrünes und gelbgrünes Glas, teilweise irisiert und korrodiert,
H 4,9-8,1 cm; Ø 2,8-5,7 cm; Gd. 0,7-1,6 mm
Deutschland, Ende 16. bis Anfang 18. Jh.

bauchige Fläschchen
Zumeist angesetzte massive Standfläche und leicht hochgestochene Böden. Kugelige bis birnförmige Wandung. Gestreckter Hals. Waagerecht ausbiegende Lippe.

Zylindrische und bauchige kleine Flaschen finden sich im archäologischen Fundmaterial des 15. bis 19. Jahrhunderts in großen Mengen sowohl in Städten als auch in ländlichen Siedlungen. Fläschchen mit einer Höhe von 5 bis 11 cm wurden zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert massenhaft zum Beispiel in norddeutschen Glashütten hergestellt. Flaschen dieser Größe waren vor allem als Behälter für Kosmetik und Arzneimittel gebräuchlich und kommen nicht nur im pharmazeutisch-alchemistischen Bereich vor, sondern ebenso in Haushalten aller sozialer Schichten. Die kleinen Flaschen wurden zunächst mit Textilien, Werg, Pergament, Leder, Holz oder Wachs verschlossen; der Korken tritt bereits im 15./16. Jahrhundert auf, wird aber erst im 17. Jahrhundert als Verschluss allgemein üblich. Die waagerecht ausbiegende Lippe diente dazu, den Verschluss fest zu fixieren.

Autor: Peter Steppuhn; in: Glaskultur in Niedersachsen, 2003, 14 u. 168-170 (gekürzt)