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Objektgruppe Glas

Böhmische Becher

Becher mit Fadenauflage, Fragmente

FO: Lüneburg, Am Sande 11-12 (Kloake)
hellgelbgrünes Glas, kobaltblaue Fadenauflage, punktförmige Korrosionsflecken, geklebt,
H 3,7 cm; Ø Lippe 7,0 cm; Gd. 1,1 mm,
Böhmen, um 1400

Becher mit Fadenauflage
Schulteransatz mit doppelter (kräftiger und feiner) blauer Fadenauflage (Halsfaden). Ausbiegende, nicht verdickte Lippe.

Glasgefäße böhmischer Provenienz gehören zu den frühesten Trinkgläsern, die in Lüneburg gefunden wurden (Vgl. böhmische Stangengläser: Glas 1 und Glas 2). Bei diesem Glas, von dem nur noch die Mündungspartie erhalten ist, handelt es sich um eine typische Becherform – ähnlich den aus Deutschland stammenden Krautstrünken –, die in Böhmen im 14. und 15. Jahrhundert hergestellt und mit verschiedenen Dekorelementen versehen wurde. Besonders häufig sind dabei senkrechte sogenannte Fadenrippen, wobei blaue Halsfäden eher selten sind. Auch bei dem Lüneburger Fragment könnte es sich um einen solchen Becher handeln, doch fehlen leider sämtliche Wandungs- und Bodenscherben, um nähere Hinweise über das ursprüngliche Aussehen zu erhalten.

Becher mit Fadenrippen, Fragmente

FO: Lüneburg, Am Sande 11-12 (Kloake)
blaugrünes Glas, kobaltblauer Punkt- und Fadendekor, z.T. stark korrodiert,
H max. 4,8 cm; Gd. 0,4-0,9 mm,
Böhmen, um 1400

Becher mit Fadenrippen
59 Boden- und Wandungsfragmente von vermutlich 2 Bechern. 2fach gewickelter Standring. An den Schultern der Becher als Tropfen angesetzte Rippen, die unter dem Boden zusammenlaufen. Blaue Halsfäden und Punkte auf den Rippen. Lippen geweitet und verdickt.

Gläser mit Fadenrippen (zudem oftmals kombiniert mit blauen Tropfen oder Punkten und blauen Fadenauflagen) sind ein typisch böhmisches Produkt und in dieser Form bislang aus keiner weiteren Hüttenregion bekannt. Die Fundzusammenhänge im Herstellungsgebiet verweisen in eine Entstehungszeit der Fadenrippenbecher vom Ende des 13. bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts, wobei gerade in der Zeit um 1400 eine besondere Fundhäufigkeit festzustellen ist. Die Fadenrippen wurden nach der Herstellung des Gefäßkörpers etwas unterhalb des Halsfadens, bzw. unter dem Abknicken der Lippe als Tropfen aufgesetzt und bis unter den hochgestochenen Boden gezogen. Auf die Rippen wurden mehrere Fäden durch Wickeln aufgelegt und während des weiteren Blasens gesprengt, so dass nur noch die auf den Rippen verbleibenden Glasreste, oft zur Kugelform verschmolzen, übrig blieben. Das Verbreitungsgebiet solcher Gläser erstreckt sich von Böhmen über Ost- und Norddeutschland sowie Polen, bis nach Schweden und Finnland. Die westlichsten Funde von Fadenrippenbechern sind aus den Niederlanden bekannt geworden. Aus süddeutschen Fundkomplexen sind Becher dieser Art bislang nicht überliefert. Formen und Größe der mit Fadenrippen verzierten Glasgefäße sind sehr unterschiedlich. Besonders geläufig sind Becher mit bauchiger Wandung und gerader bis leicht schalenförmiger Mündung sowie leicht hochgestochenem Boden, wie sie auch für die Lüneburger Fragmente anzunehmen sind.

Autor: Peter Steppuhn; in: Glaskultur in Niedersachsen, 2003, 60-62. (gekürzt)